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AVIVA-BERLIN.de im Dezember 2024 - Beitrag vom 10.02.2011


Tal der Wölfe - Palästina
AVIVA-Redaktion

"Hauptsache, unser Film wird diskutiert!" Drehbuchautor Bahadir Özdener hatte zumindest mit diesem Ziel Erfolg. Die gewaltverherrlichende, antiisraelische, antizionistische und antisemitische...




... Neuerscheinung aus der türkischen Kino-Serie "Tal der Wölfe" bot schon vor dem Start in deutschen Kinos Anlass zu hitzigen Diskussionen.

Es ging eine Welle des Aufschreis durch Deutschland. Ob deutsche VertreterInnen aus Medien oder Politik, fast einstimmig herrschte die Meinung: "Tal der Wölfe - Palästina", der vierte Film des Regisseurs Zübeyr Sasmaz, gehört nicht in die deutschen Kinos. Sein antiisraelischer und antisemitischer, von Gewalt und Hass gegenüber dem Staat Israel und der westlichen Welt geprägter Inhalt, sollte in Deutschland keinem Kinobesucher und keiner Kinobesucherin frei zugänglich sein, so urteilt der integrationspolitische Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion Serkan Tören: "Der Film wirkt auf jugendliche Migranten extrem sozial desorientierend. Hier geht es schlichtweg um Provokation und die Vertiefung von Gräben."

Nun ist er es doch. Ausgerechnet am 27. Januar, dem Holocaust-Gedenktag, sollte der extrem gewaltverherrlichende und nationalistische Actionfilm erstmals in deutschen Kinos gezeigt werden. Dies führte zu zusätzlicher Empörung, wurde es doch als reine Provokation verstanden, den Streifen an genau diesem Tag anlaufen zu lassen. Die Presse verriss den Film einstimmig, PolitikerInnen aller Parteien waren sich einig, dass die Premiere an einem solchen Gedenktag geschmacklos und besorgniserregend wäre. "Einen solchen Film ausgerechnet an diesem wichtigen Gedenktag in Deutschland zu starten, ist an Geschmacklosigkeit kaum zu überbieten", kritisiert Philipp Mißfelder, außenpolitischer Sprecher der CDU/CSU im Bundestag. Besonders rücksichtslos sei dies gegenüber den Gefühlen der Opfer. Auch die SPD-Bundestagsabgeordnete Kerstin Griese war dieser Meinung: "Der Film ist ohnehin problematisch, weil er gewaltverherrlichend ist und antiisraelische sowie antisemitische Emotionen schürt. Ihn am 27. Januar starten zu lassen, ist geschichtslos und unverantwortlich". Der österreichische Bundesverband der Israelitischen Kultusgemeinden (IKG) leitete "nach genauer juristischer Prüfung und Beratung" eine Sachverhaltsdarstellung wegen Verhetzung ein. "Unsere Anwälte haben den Film minuziös studiert", so IKG-Generalsekretär Raimund Fastenbauer.
Die "Türkische Kulturgemeinde in Österreich" hat anlässlich des Kinostarts einen Trauertag angekündigt und sich in scharfer Form vom "brandstiftenden" Film "Tal der Wölfe" distanziert. Der Streifen habe eine "extrem destruktive" Wirkung auf Jugendliche und MigrantInnen vor allem aus der Türkei.
Auch die Jüdische Gemeinde zu Berlin schloss sich öffentlich dem Widerstand gegen die Ausstrahlung in Deutschland an: "Der Film ist pure antiisraelische und antisemitische Hasspropaganda und verkehrt Realitäten." Die Jüdische Gemeinde zu Berlin appelliert deshalb an alle KinobetreiberInnen, den Film nicht zu zeigen, denn: "Hasspropaganda und Demokratie sind nicht vereinbar." Auch wird die Darstellung des Vorfalls auf der sogenannten "Free Gaza"-Flottille von Seiten der Presse und Politik erneut von der Jüdischen Gemeinde zu Berlin kritisiert. So werde beispielweise verschwiegen, "dass sich auf der Mavi Marmara ein Bündnis befand, das unter antisemitischen Schlachtgesängen ausgelaufen war", und auch "der Lynchmob, dem sich die israelischen Soldaten gegenüber sahen und dass Menschen an Bord waren, die als "Märtyrer" sterben wollten" findet wenig internationale Resonanz.

Der nach einigen Unstimmigkeiten von der Freiwilligen Selbstkontrolle (FSK) ab 18 Jahren freigegebene, propagandistische Film lief dennoch um einen Tag verspätet in den deutschen Kinos an. Mittlerweile hat jedoch immerhin die Cinestar Gruppe in Kassel als Reaktion auf ein Protestschreiben von Oberbürgermeister Bertram Hilgen und VertreterInnen der Rathaus-Fraktionen von SPD und Grünen entschieden, den Film nicht mehr im Programm des Kasseler Cinestar-Kinos zu zeigen.

Verzerrungen realer politischer Hintergründe

Der Film nimmt den Angriff der israelischen Armee auf das unter türkischer Flagge fahrende Schiff "Mavi Marmara" am 31. Mai 2010 als Ausgangspunkt für seine Handlung: Nachdem "FriedensaktivistInnen" bei dem Versuch, Hilfsgüter in den Gaza-Streifen zu bringen, von israelischen Soldaten angegriffen und neun von ihnen getötet wurden, reist Geheimagent Polat Alemdar mit seinen Freunden nach Palästina um die Toten zu rächen. Ziel seiner Reise ist der für den Angriff verantwortliche israelische Kommandeur Moshe Ben Eliezer.

Der an einen türkischen James Bond erinnernde Polat Alemdar(vom türkischen Actionstar Necati Sasmaz gespielt) kommt nach Palästina (ausdrücklich nicht nach Israel, der Film spielt ausschließlich im gegenwärtigen Palästina (Filistin), also in den von der palästinensischen Bevölkerung beanspruchten Gebieten). Kein israelischer Stützpunkt ist sicher genug, als dass ihn der Retter der Palästinenser nicht fast im Alleingang in die Luft sprengen könnte. Wie James Bond, so gelingt es auch diesem Geheimagenten scheinbar problemlos, eine große Zahl von Elitesoldaten zu erschießen und Moshe mit seinen eigenen Waffen zu schlagen. Bis es soweit ist, sieht man jedoch Straßenkämpfe, die Bilder der Intifada wachrufen.

Als Personifizierung des Bösen, der Gewaltpolitik und der Tyrannei Israels stehen zwei Männer: Der schon erwähnte Einsatzleiter und Waffenhändler Moshe Ben Elieser (dem Polat früh ein Auge wegschießt, so dass er danach eine Augenklappe tragen muss, was ihm eine gewisse Ähnlichkeit mit dem israelischen Helden von 1967 gibt, dem General und Verteidigungsminister Moshe Dayan) und der Gefängnisdirektor Avi. Ihm wird der Satz in den Mund gelegt: "Tiere (Ratten) lernen nur durch Schmerz." Die Aussage ist klar, taucht hier doch das von den Nazis gebrauchte Vokabular auf, nur wird es von einem Juden auf die Palästinenser angewandt.

Der Film baut ein klares Feindbild auf: überall dort, wo Schusswechsel und Morde geschehen, ist auch der Davidstern zu sehen. Nur eine (amerikanische) Jüdin wird im Film als Mensch und nicht als Scheusal dargestellt und dient so als Alibi für das Statement "Unsere Feinde sind nicht die Juden, sondern die Tyrannen." Simone Levi, die bei einer Palästinenserfamilie unterschlüpfen kann, im Verlauf der Kämpfe die Seite wechselt und sich mit den Palästinensern identifiziert. Sie wird von den Israelis als Verräterin geächtet und wird von Polats Männern vor der Ermordung durch die Israelis gerettet. Dass die einzige im Film etwas näher beschriebene Frau eine Metamorphose durchlebt, gehört zu einer Nebenhandlung. Am Ende legt Simone nicht nur die westliche Kleidung und ihre zwanghafte Medikamenteneinnahme ab, sondern verschmäht auch das ihr angebotene Essen nicht länger. Damit die Botschaft klar erkennbar ist, weisen die arabischen Frauen sie mehr als einmal darauf hin, dass eine Frau nur mit Kindern überhaupt als Frau bezeichnet werden kann.
Türkische Propaganda in deutschen Kinosälen

"Tal der Wölfe – Palästina" hat es geschafft, mit zehn Millionen Dollar der teuerste türkische Film seit langem zu sein. Außer Actionszenen und Hassparolen bietet er leider nichts. Würde nicht die Gefahr bestehen, dass sich angesprochene Bevölkerungsgruppen mangels Vorwissen und einer gewissen Distanz beeinflussen lassen, so könnte man den Film eigentlich nur als lächerlich abtun. Er ist eine Blamage - für die Türkei, für das Kino. Nicht zuletzt dem palästinensischen Volk wurde mit diesem Film kein Gefallen getan.

Dieser Film dient vor allem dazu, die Türkei als moralisch anständige und starke Retternation darzustellen, die Muslime und Musliminnen aus aller Welt verteidigt. Blickt man auf den neuen außenpolitischen Kurs in Ankara, so sollte nicht nur die hier gezeigte neue Art von Antisemitismus auf deutschen Leinwänden Besorgnis erregen - sondern auch der Boden, auf dem ein solcher Film erfolgreich werden könnte.

Tal der Wölfe – Palästina
Originalfassung mit deutschen Untertiteln
Originaltitel: Kurtlar Vadisi: Filistin
Türkei, 2010
Regie: Zübeyr Sasmaz
Drehbuch: Raci Sasmaz / Bahadir Özdener / Cüneyt Aysan
DarstellerInnen: Necati Sasmaz / Erdal Besikcioglu
Verleih: PERA Film GmbH, Köln
Gesamtlänge: 109 Min. 39 Sek.
Kinostart: 27.01.2011

Quellen:
www.migazin.de

www.spiegel.de

www.welt.de/kultur

www.koordinierungsrat-gegen-antisemitismus.org

www.welt.de/politik

www.kino-zeit.de

www.stern.de

www.kuvi.de

www.3sat.de

www.imdb.de

www.turkishpress.de

www.kurier.at

www.jg-berlin.de

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Beitrag vom 10.02.2011

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